2.5 Liquidität
Zwecks betriebswirtschaftlicher Beurteilung werden seit Jahrzehnten Rentabilität, Stabilität (Sicherheit) und Liquidität geprüft. Nachdem sich die Cashflows mehr und mehr verbreitet haben, bietet sich an, die Beratungsgespräche mit der Liquidität zu beginnen. Das gilt gleichwohl aus pädagogischer Sicht für die Unterrichtung an Schulen, bis hin zu den Universitäten. Wenn man als Zuhörer gerade die Gewinnberechnung verinnerlicht hat, liegt nahe, sich gleich anschließend der Verschiedenheit von Gewinn (oder ordentlichem Ergebnis) und Cashflows zu widmen.
Es kann das ordentliche Ergebnis des Betriebs ungenügend sein, aber die Unternehmerfamilie sagt, "bei uns ist immer Geld im Haus". Vielleicht sind in früheren günstigen Jahren größere Photovoltaik-Anlagen installiert worden. Solche Objekte ohne verbliebene Kredite bilden u.U. erhebliche „nichtbetriebliche“ Einnahmen. Andererseits beeinflussen nichtbetriebliche Ausgaben, z.b. für private Entnahmen, den Kassen-/Girostand negativ.
Bei der Liquiditätsbeurteilung sind also nichtbetriebliche Einnahmen und Ausgaben zwingend einzurechnen. Bei der Rentabilität hingegen geht es später „nur“ um das Unternehmen selbst.
Empfehlenswerte Abfolge somit: 1. Liquidität, 2. Stabilität und 3. Rentabilität. So wird auch die pädagogisch erwünschte „Spannungskurve“ während des Beratungsgesprächs oder des Unterrichts hoch bleiben.
Der Begriff Cashflow (direkt übersetzt: Geldfluss) ist in Deutschland ab etwa 1960 eingeführt worden. Typisch: Bei allen Cashflows bleiben die Abschreibungen außen vor.
2.5.1 Geldrohüberschuss aus laufender Geschäftstätigkeit
Dieser Wert ist schon während des Wirtschaftsjahres in der Buchführung verfolgbar. Für die Betriebsbeurteilung ist er um "Einmaleffekte" zu bereinigen: z.B. um Erlöse aus dem Abgang von Grundstücken und um nicht regelmäßige Zuschüsse. Die im Geldrohüberschuss ggf. enthaltenen "Privatanteile an den Betriebsausgaben" sind zu saldieren (wenn es sich um größere Beträge handelt).
So wird aus dem erwirtschafteten Geldrohüberschuss aus laufender Produktion der "direkt ermittelte Cashflow aus operativer Tätigkeit", der dem Cashflow 1 ähnlich sein sollte.
2.5.2 Die drei zentralen Cashflows für Unternehmer
Sie stellen eine Staffelrechnung dar:
Bei der Bf-Analyse gilt: Cashflow 1 = Ordentliches Ergebnis + (betriebliche) AfA
Und:
Nichtbetriebliche Einnahmen = Bereinigte Einlagen
Nichtbetriebliche Ausgaben = Bereinigte Entnahmen
Oft ist direkt der Cashflow 3 gefragt. Dafür sind die Cashflows 1 und 2 wegzulassen:
_ Ordentliches Ergebnis bzw. geplanter Gewinn
+ AfA betrieblich (wieder zugerechnet)
+ Bereinigte Einlagen
- Bereinigte Entnahmen
- Tilgungen ("nach betriebsw. Grundsätzen")
= Cashflow 3
Cashflow 1
Der Cf 1 ist der "indirekt ermittelte Cashflow aus operativer Tätigkeit ". Es gibt gewerbliche Unternehmen, die diesen Kennwert veröffentlichen. Der Rechengang bei dieser AG für 2014 ist angefügt.
53,07 Mio. Euro Betriebsergebnis - EBITDA ?
6,23 Mio. Euro Zinsen und Steuern
46,84 Mio. Euro Cashflow aus operativer Tätigkeit (Cf 1)
9,27 Mio. Euro AfA
37,57 Mio. Euro Jahresüberschuss = Gewinn
25,25 Mio. Euro Eigenkapitalveränderung positiv
20.441 Euro Gewinn je Mitarbeiter (Zinsansatz nicht abgezogen, Teilzeitkräfte nicht umgerechnet?)
Die Eigenkapitalmehrung beträgt nach diesen Kennwerten stolze das 2,7-fache der AfA oder 67% des Gewinns. Zur genauen Beurteilung fehlt allerdings das "ordentliche Ergebnis".
Cashflow 2
Nichtbetriebliche Einnahmen: Dazu gehören Einnahmen aus extra betriebener Tankstelle oder aus PV-Anlagen sowie die Mieteinzahlungen aus vermieteten Wohnungen. Derartige Einnahmen erhöhen natürlich im selben Umfang auch die - später zu besprechenden - Kapitaldienstgrenzen.
Auf dem Betriebsgiro eingehende Zuflüsse aus neuen nichtbetrieblichen Krediten dürfen nie als Einkommen oder Einnahmen eingestuft werden. Rückerstattungen der Einkommensteuer sollten beim Aufwand für private Steuern saldiert werden.
Nichtbetriebliche Ausgaben, Privataufwand: Bei Familienbetrieben ist zu bedenken, dass die Entlohnung der Familien-Arbeitskräfte aus dem ordentlichen Ergebnis zu bestreiten ist. Entsprechend hoch ist also der Privataufwand, der u.a. private Versicherungen und private Steuern umfasst. Bei großen Firmen führen Ausschüttungen an die Unternehmenseigner dazu, dass der Cf 2 und damit das Ausmaß der selbst finanzierbaren Investitionen sinkt.
In der Steuerbuchführung vom Beispiel "Neubert" sind nur geringe "Sonstige Einlagen" von 3.608 Euro erfasst. Es wurden 46.000 Euro aus Einnahmen einer einer Photovoltaikanlage hinzubereinigt, die nicht auf dem betrieblichen Girokonto verbucht sind: 50.000 Euro vor Zinsen minus 4.000 Euro Zinsen.
Entnahmen für die Bildung von außerbetrieblichen Vermögen (inkl. Privatvermögen) sind selbstverständlich kein Verbrauch, so dass sie bei der Betriebsbeurteilung gleichfalls nicht angerechnet werden dürfen. Auch ein im Jahresabschluss ausgewiesene "Entnahmen für nichtbetriebliche Einkünfte" bedeuten oft keinen Verbrauch. Dahinter kann sich der Bau von zu vermietenden Wohnungen oder von Photovoltaikanlagen verbergen. Beides ist vermögenserhöhend, wenn auch außerbetrieblich.
Umgebuchte Ausgaben im Beispiel: Es wurden der Lebenshaltung innerfamiliäre Lohnaufwendungen zuge-schlagen. Entsprechend ist das Unternehmen um 33.071 Euro Lohnaufwand entlastet worden.
Cashflow 3
Hier sind nun die Tilgungen abzuziehen . Für die Betriebsbeurteilung sind diese "nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen" zu bearbeiten. Das heißt, dass weder eine Tilgungsaussetzung noch eine Sondertilgung berücksichtigt werden darf (weitere Erläuterungen zu den Tilgungen beim Thema "Kreditliste", Punkt 2.3.2).
Die in der Steuerbuchführung ausgewiesenen Tilgungen sind meist manuell nachzubearbeiten. Den Buchstellen ist aber kein Vorwurf zu machen, denn die Tilgungszahlungen sind für die Errechnung des steuerlichen Gewinns schlichtweg irrelevant. Dementsprechend sind die betrieblichen und die nichtbetrieblichen Tilgungen (grob) einzutragen, also z.B. auch diejenigen für PV-Anlagen.
Der Cashflow 3 hat übrigens einen Vorläufer. In alten BWL-Büchern ist zu finden „Zur Finanzierung verfügbarer Betrag“. Damit war gemeint: „Für Investitionen erwirtschaftete Eigenmittel“ = Cashflow 3.
Ergänzungen zu den Cashflows
Folgendes Schema verdeutlicht nochmals die Cashflow-Staffelrechnung. Dem Cashflow aus operativer Tätigkeit" (= Cashflow 1) geht jedenfalls der "Geldrohüberschuss aus laufender Geschäftstätigkeit" voraus. Auf dessen Basis ist bereits unterjährig der "direkt ermittelte Cashflow aus operativer Tätigkeit" ersichtlich.
Die Cashflows haben übrigens einen wichtigen Vorteil: sie sind nicht so einfach zu manipulieren wie der Gewinn, der z.B. durch die AfA "gestaltbar" ist.
Wer (z.B. als Politiker oder Verbandsobmann) in den Aufsichtsrat oder den Beirat eines fremden Unternehmens gewählt wird, sollte von dort immer wieder dieselben ausgewählten Cashflows notieren. Sonst muss er als Vertrauensperson evtl. eines Tages feststellen, dass er die wahre Entwicklung des ihm anvertrauten Unternehmens nicht rechtzeitig erkannt hat. Laufend beobachtete Cashflows kann man zu den Frühindikatoren zählen.
Zur Beurteilung einfacher Investitionen reicht indes oft ein um die Tilgungen reduzierter Cashflow 1 aus, z.B. bei einer Photovoltaikanlage. An ihm ist schon zu erkennen, ob andere Teilbetriebe des Unternehmers geldlich unterstützt werden können oder ob sogar Cashflow anderer Teilbetriebe "verbrannt" wird.
Als Maßstab der Cashflows sind die Abschreibungen geeignet. Im Geschäftsbericht der BASF Ludwigshafen wird der Cashflow aus operativer Tätigkeit an den Gesamt-AfA gemessen.
https://Bericht.BASF.com/2020/de/Serviceseiten/Kennzahlenvergleich.html#/Datasheet_ar/vertbar/10,11/5,6,7,8,9,14,15,16,17,18,19,22,23,24,25,26,27/periods/0
Sinnvoll erscheint, die Cashflows nicht an den Gesamt-Investitionen zu messen, sondern an einer relativ konstanten Größe. Da bieten sich die AfA an. Investitionen in Höhe der AfA werden allgemein als „Ersatzinvestitionen“ bezeichnet.
2.5.3 Maßstäbe des Cashflow 3
Der Cashflow 3 zeigt, wie viele Eigenmittel nach nichtbetrieblichen Ein- und Auszahlungen und nach Tilgungen (nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen) verbleiben. Frage, ob wenigstens die Ersatzinvestitionen ohne Kredit bezahlt werden können? Auf deutsch: wieviel Luft bleibt zum Atmen, so dass das Unternehmersein auch Spaß macht?
Zweckmäßig erscheinen zwei Messlatten:
Langfristiger Maßstab: AfA gesamt
Mittelfristiger Maßstab: AfA Maschinen und Dauerkulturen
Die AfA für Gebäude sind in AfA gesamt enthalten. Doch ist es so, dass dort Ersatzinvestitionen in den ersten Jahren nicht zu erwarten sind. Bei den Maschinen (und Dauerkulturen) sind dagegen laufend welche zu ersetzen.
Stufen der Liquiditätsbeurteilung (Anhaltskriterien für die Landwirtschaft)
Achtung: Auch hohe Sparverpflichtungen (z.B. Kapital-Lebensversicherungsbeiträge) begrenzen die Verfügbarkeit des Cf 3 für Investitionen.
Für den Cashflow 3 sind mit der "Ersatzinvestitionsdeckung" auch Relativ-Kennwerte möglich. Es gilt: je höher, desto besser.
Zukunft im Vergleich zur Vergangenheit
In folgender Grafik werden die Ergebnisse der Vergangenheit mit den in Zukunft geplanten Zahlen verglichen. Für das Unternehmen wurden - neben der Optimierung - drei alternative Zielbetriebe kalkuliert. Der Cashflow 3 wird den AfA gesamt (1. Maßstab) und den AfA Maschinen und Dauerkulturen (2. Maßstab) gegenübergestellt.
Der Cashflow 3 ist bei allen fünf Varianten weitaus höher als die Ersatzinvestitionen für Maschinen. Allerdings übertrifft der Cf 3 bei keinem der Zielbetriebe die Ersatzinvestitionen insgesamt (1. Maßstab). Das muss ja auch nicht sein; denn die AfA für neue Gebäude muss ja nicht gleich wieder re-investiert werden.
Bei Zukunftsbetrachtungen im Rahmen der unterjährigen Liquiditätsplanung (oder der Betriebsplanung im Schema Jahr-nach-Jahr) ist die konkret geplante Tilgung einzurechnen - anstelle der "Tilgung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen". Wurde bei solchen Planungen z.B. eine Tilgungsaussetzung berücksichtigt, werden sich die Gesprächspartner (Unternehmer, Berater, Bank) schon im Klaren sein, dass dieser Zustand nicht permanent so bleiben kann. Umgekehrt ist bei derartigen Planungen auch eine einmalige Einzahlung aus fälligem Sparvertrag o.ä. einzurechnen.
Nachtrag: In der Landwirtschaft werden die Cashflows 1 bis 3 sehr einheitlich verwendet. Die Begriffe im Cashflow-Bereich sind aber nicht genormt. Definitionen für eine ähnlich aufgebaute Cashflow-Staffelrechnung siehe:
https://www.finanzen.net/lexikon/chartanalyse/cashflow
finanzen.net ist ein großes Finanzportal der finanzen.net GmbH
Die Kapitalfluss-Berechnung ist grundverschieden, wie von derselben Autorenschaft betont wird. https://www.finanzen.net/wirtschaftslexikon/kapitalflussrechnung
finanzen.net ist ein Finanzportal der finanzen.net GmbH.
Die Besonderheiten der Kapitalflussrechnung werden nachfolgend entsprechend betont.
2.5.4 Mehrschicht-Cashflows für die Rechnungslegung (= Kapitalfluss-Rechnung)
Die Cashflow-Berechnung vom Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) und vom International Financial Reporting Standards (IFRS) ist keine Staffelrechnung. Sie ist eine Mehrschichtrechnung (sozusagen ein "Big Mac").
Ursprung dieser Mehrschichtrechnung ist die schon lange bekannte Kapitalflussrechnung. Für sie gilt: Summe Kapitalzuflüsse = Summe Kapitalabflüsse.
Erst wenn diese beiden Summen übereinstimmen, ist der Buchhalter zufrieden (z.Z. des Kopfrechnens war das nicht so einfach). Die Kapitalflussrechnung ist also für die Rechnungslegung der Buchstelle wesentlich, teils ist sie sogar vorgeschrieben. In den Kapitalfluss sind selbstverständlich Zuflüsse aus neuen Krediten einzubeziehen (Schicht 3).
Leider wurde vom DRSC vor geraumer Zeit das Wort "Kapitalfluss" durch "Cashflow" ersetzt - trotz des abweichenden Begriffsinhalts:
Aus der "Summe der Cashflows" ist abzulesen, dass alle Investitionen durch Eigenmittel und durch Fremdmittel bezahlt wurden - für den Unternehmer ist das banal, trivial, eine Plattitüde, oder?
Den Unternehmer interessiert die Innenfinanzierungskraft! Doch die muss bei diesem Kapitalfluss-Mehrschicht-Verfahren erst noch zusätzlich errechnet werden.
Die Gleichung „Summe Kapitalzuflüsse“ = „Summe Kapitalabflüsse“ ist für die Unternehmensführung genauso bedeutungslos wie "Summe Aktiva = „Summe Passiva". Solche Aussagen sind nicht unternehmer-zentriert! Für die Rechnungslegung in den Buchstellen ist natürlich katastrophal, wenn solche Gleichungen einzelbetrieblich nicht zutreffen. Vor Einführung digitaler Buchführungssysteme in den 1970er Jahren war die „Kontenabstimmung“ in der Tat ein arbeitsreicher Teil der Buchstellen-Tätigkeit.
Der "Free Cashflow" basiert auf den beiden erstgenannten Schichten, die dritte Schicht bleibt außer Betracht. Aber die zweite Schicht berücksichtigt alle Investitionen, also nicht nur die Ersatzinvestitionen (= AfA). Fragliche Konsequenz: Der Free Cashflow ist schlecht, wenn über ihn hinaus Investitionen getätigt werden, und er ist gut, wenn weniger oder nichts investiert wurde.
Fazit: Für Unternehmer sind die Cashflows 1 bis 3 mit den AfA als Maßstab unübertrefflich!
2.5.5 Kapitaldienstgrenzen
In der Landwirtschaft wurde die Liquidität jahrzehntelang - auch innerhalb der Buchführungsanalyse - an den Kapitaldienstgrenzen (KDGr) gemessen. Der Begriff war schon verbreitet bevor die Cashflows bekannt wurden. Fundamentaler Zusammenhang:
Es wird sozusagen die gleiche bemalte Glasscheibe einmal von vorne (Cashflow), einmal von hinten (KDGr) betrachtet. Die Frage wird mal aus dieser Richtung, mal aus der Gegenrichtung gestellt:
Aus dem Cashflow 3 können die Kapitaldienstgrenzen abgeleitet werden. Die folgenden Berechnungen stimmen, auch wenn man beim Rechengang etwas um die Ecke denken muss.
Herkömmlich sind andere Herleitungen der Kapitaldienstgrenzen im Gebrauch - eine davon:
Langfristige Kapitaldienstgrenze (KDGr) = Ordentliches Ergebnis + Zinsaufwand
+ nichtbetriebl. Einnahmen – nichtbetriebl. Ausgaben (Privataufwand, Ausschüttungen o.ä.)
Als Relativ-Kennwerte wurden gerne die Auslastungen der KDGr genannt. Einer der Relativwerte:
Auslastung der mittelfristigen Kapitaldienstgrenze % = KD / mittelfristige KDGr
Als Relativ-Kennwerte wurde gerne die Auslastungen der KDGr genannt.
2.5.6 Vorzüge der Cashflows
Sie sind vielseitiger einsetzbar als die Kapitaldienstgrenzen:
• Die Cashflows geben auch Sinn in Unternehmen ohne Schulden.
• Es kann überlegt werden, wie hoch der Preis des wichtigsten Erzeugnisses eines Unternehmens sein muss, damit der Cashflow 3 erlaubt, wenigstens den Ersatz von Maschinen selbst finanzieren zu können. Dafür kann z.B. der Milchpreis schrittweise angehoben werden, bis der Cf 3 im gewünschten Bereich ist. So kann der einzelbetrieblich kostendeckende Milchpreis eines Ziegenhalters ermittelt werden. Der errechnete Zielwert kann als Cashflow 3-Schwelle bezeichnet werden.
• Man kann zeigen, wann der Cf 3 auf Null sinkt, wenn die Erzeugerpreise fallen (z.B. der Milchpreis). Bei Cf 3 = 0 wird man noch seinen Kreditverpflichtungen nachkommen und privat seine Existenz finanzieren (bzw. etwas ausschütten) können. Aber schon eine kleine Investition (wie z.B. Ersatz einer einfachen Maschine) wird zur Folge haben, dass dafür ein neuer Kredit aufgenommen werden muss.
• Anhand des Cf 3 ist die Sensitivität (d.h. Anfälligkeit auf Preisveränderung) in der Betriebsplanung einfach zu demonstrieren.
• Mittels des Cf 3 kann (bei Jahr-nach-Jahr-Kalkulationen) auch die Entwicklung der kurzfristigen Verbindlichkeiten vorgeschätzt werden.
• Auch bei der unterjährigen Liquiditätsplanung ist der Cf 3 zentral, aufbauend auf dem Geldrohüberschuss aus laufender Produktion.
• Der Cf 3 ist selbst beim schrittweisen Ende eines Betriebes hilfreich. Gewinn und ordentliches Ergebnis interessieren nicht, umso mehr aber die Cashflows. Reichen sie in den restlichen Jahren zum Leben und zum Tilgen? In einer solchen Situation über "Kapitaldienstgrenzen" zu reden ist schlicht Unsinn.
2.6 Stabilität
Die Kennwerte der Stabilität sollen zeigen, inwieweit das Unternehmen vor dem Absturz bzw. vor dem Umwerfen gefeit ist. Stabilität bedeutet, dass das Unternehmen durch Preistäler, Produktmarktflauten, Zukaufpreisexplosionen, Seuchen und Kalamitäten, Unternehmer-Krankheit und Arbeitsausfall nicht gleich existenziell gefährdet ist.
2.6.1 Bereinigte Eigenkapitalveränderung
Sie soll aussagen, ob Substanzmehrung oder Substanzminderung vorliegt, ob die Unternehmerfamilie bzw. die Unternehmensgruppe "reicher" oder "ärmer" wird. Wie bei den Cashflows 2 und 3 reicht auch bei der "bereinigten Eigenkapitalveränderung" die Analyse bis in den nichtbetrieblichen (und privaten) Bereich hinein.
Bei der bereinigten Eigenkapitalveränderung sind die AfA abgezogen, die Tilgungszahlungen aber nicht.
Das ist der große Unterschied zur Cf 2- und Cf-3-Berechnung.
Als Beurteilungsmaßstäbe der bereinigten Eigenkapitalveränderung sind drei "Sollwerte" eingeführt:
• mindestens 5 % des Fremdkapitals
• mind. 30 % vom ordentlichen Ergebnis
• mind. 15.000 Euro (Untergrenze, die auch Kleinbetriebe einhalten sollten).
Der Sollwert von 5 % von den Verbindlichkeiten beruht auf der Vorstellung, dass die Schulden in spätestens 20 Jahren getilgt sein sollten. Der Sollwert von 30 % des ordentlichen Ergebnisses ist lediglich eine Orientierung.
Etwas ungewohnt ist sicher für manchen Leser, dass in D 261 eine Zeile für nichtbetriebliche AfA eingefügt ist. Aber Fachlehrerkollegen haben zurecht darauf hingewiesen, dass bei den Cf 2 und Cf 3 die regelmäßigen nichtbetrieblichen Einnahmen ungeschmälert eingerechnet werden können. Bei der bereinigten Eigenkapitalveränderung hingegen müssen die nichtbetrieblichen AfA (= nichtbetriebliche Wertminderungen) prinzipiell herausgerechnet werden.
2.6.2 Eigenkapitalquote in %
Das ist der Anteil des Eigenkapitals am Vermögen des Unternehmens. Für diesen Kennwert sind die Vermögensbewertungen in den Bilanzen unbedingt zu überprüfen prüfen, wenn auch grob. In der Landwirtschaft kommt hinzu, dass die gesamte eigene Boden mit einem einheitlichen Wert angerechnet werden muss, unabhängig davon, seit wann er zum Betriebsvermögen zählt bzw. was er dereinst gekostet hat.
2.6.3 Fremdkapitaldeckung in %
Im Zähler der folgenden Formel wird das aufsummierte "leicht liquidierbare Vermögen" eingetragen. Dazu wird das Umlaufvermögen (inkl. Geldvermögen) sowie das Anlagevermögen ohne Gebäude und Boden gezählt, also z.B. der Buchwert der Maschinen. Im Nenner wird das Fremdkapital beziffert.
Der Beurteilung liegt die Frage zugrunde, ob (z.B. im Falle des Todes der Hauptarbeitskraft im Familien-betrieb) der Verkauf der relativ leicht veräußerbaren Vermögensteile ausreicht, um die Schulden abzulösen. Sobald das leicht liquidierbare Vermögen kleiner ist als das Fremdkapital, liegt der Wert unter 100 %.
2.6.4 Veralterungsgrad %
Hierfür werden die Buchwerte von Maschinen, Betriebsvorrichtungen, Gebäude und Dauerkulturen in Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten berechnet. Je höher der Prozentwert, desto jünger. Dabei genügt der Veraltrungsgrad vom letzten WJ.
Ein hoher Veralterungsgrad (Buchwert also nahe am Neuwert) kann gleichwohl problematisch sein, wenn dieser durch eine immense Verschuldung erkauft wurde. Ein niedriger Veralterungsgrad kann einen Fixkostenkünstler anzeigen, aber auch einen Investitionsstau. Sofern entsprechend Eigenmittel privat geparkt wurden, die wieder in das Unternehmen eingebracht werden sollen (z.B. wenn die Berufswahl eines Nachfolgers geklärt ist), ist die Stabilität positiv zu beurteilen, auch bei niedrigen Veralterungsgraden.
2.7 Rentabilität
Zur "traditionellen Buchführungsanalyse" gehört stets die Beurteilung der Rentabilität. Die Kennwerte der Rentabilität betreffen allein das Unternehmen. Ausgangspunkt ist immer das ordentliche Ergebnis. Ohne längerfristige Rentabilität ist eine gute Liquidität und Stabilität nicht zu erreichen.
2.7.1 Gewinnrate in %
Frage: Wieviel Prozent von 1.000 Euro Umsatz verbleiben als ordentliches Ergebnis? Rechentechnisch ist die Umsatzrendite oder Gewinnrate einfach zu ermitteln. Die Interpretation ist indes oft schwierig.
Bei Betrieben mit Lohnarbeitsverfassung für alle Arbeitskräfte liegt dieser Prozentwert oftmals im einstelligen Bereich. Es gibt aber auch hochrentable Unternehmen mit Fremdarbeitskräften, wie die Microsoft Company und die Deere Company, ein Technikhersteller, mit einer Gewinnrate von über 10 %.
In Betrieben mit Familienarbeitskräften muss die Gewinnrate ungleich höher sein als in Lohnarbeitsbetrieben, denn die Familie muss ja vom ordentlichen Ergebnis ihren Privataufwand samt Einkommensteuer bezahlen. Beispielsweise sollte der Milchviehbetrieb einer Familie mehr als 30 % Gewinnrate abwerfen, während ein Milchviehbetrieb auf Basis von entlohnten Arbeitskräften schon mit 5 % Gewinnrate (im Mittel der Jahre) recht zufrieden sein kann.
Selbst innerhalb der Landwirtschaft sind große Unterschiede üblich. So sind die Gewinnraten in der Schweinemast generell niedrig im Gegensatz zu jenen der Milchkuhhalter. Das hängt mit dem Arbeitseinsatz zusammen. Für die Beurteilung der Gewinnrate ist folglich gut, wenn ein Horizontalvergleich der Betriebe Referenzwerte bietet.
Bei großem Umsatz ist wichtig, dass die Gewinnrate wenigstens ein Plus als Vorzeichen hat. Grundsätzlich sind niedrige Gewinnraten kritisch, sie können leicht ins Minus fallen.
2.7.2 Rentabilität der Produktionsfaktoren gemeinsam
Die Frage ist, inwieweit sich die Nutzung der eingebrachten Produktionsfaktoren in einem Unternehmen lohnt. Leicht zu kommunizieren ist die Faktorentlohnung im Einzelnen: das Einkommen aus Arbeit und die Verzinsung des Kapitals. Für die Landwirtschaft, bei der auch die Grundrente für die Bodennutzung zu errechnen ist, ergibt sich ein "Dreigespann der Rentabilität". Für die jeweils anderen Faktoren sind „Ansätze“ (für eigene Faktoren) oder die gezahlten Faktorenkosten zu ermitteln.
Diese sind auch für die Beurteilung der „Rentabilität der Produktionsverfahren gemeinsam“ nötig. Zwei Kennwerte sind dafür im Einsatz: die "relative Faktorentlohnung" und die "Nettorentabilität", beides in Prozent. Die relative Faktorentlohnung ist immer anwendbar, z.B. auch bei ausschließlich Fremdarbeitskräften. Für Unternehmen mit nur (oder fast nur) familieneigenen Arbeitskräften ist die "Nettorentabilität" beliebt, die Formel hierfür ist viel einfacher.
Relative Faktorentlohnung in %
Dafür ist erstens das Betriebseinkommen zu errechnen:
Betriebseinkommen = Ordentliches Ergebnis + bezahlte Löhne + bezahlte Pachten + bezahlte Zinsen
Zweitens sind die Faktorkosten für eigene und fremde Faktoren zu addieren. Schließlich bedarf es noch der Division. Der errechnete Prozentwert sollte über 100 Prozent liegen - im Mittel der Jahre.
Beispiel - 3 Buchführungsjahre
Nettorentabilität in %
Hierfür kann das ordentliche Ergebnis direkt in den Zähler der Formel eingetragen werden. Bei den Faktorkosten sind nur Lohn-, Pacht- und Zinsansätze zu addieren. Für die Division gilt somit:
Dieser Prozentwert sollte ebenfalls (mehrjährig) über 100 Prozent liegen. Die landwirtschaftlichen Familienbetriebe erreichen im Durchschnitt oft nur 70 %. Nur die erfolgreicheren Landwirte haben die Chance, über 100 % zu liegen. Dabei ist freilich die Höhe des Lohnansatzes je Familien-AK ganz wesentlich. Die Standardannahme in der Landwirtschaft lag bisher unter 15 Euro je Stunde - als Arbeitskosten brutto, wovon auch die privaten Versicherungen und die privaten Steuern zu bezahlen sind.
Beispiel - 3 Buchführungsjahre
2.7.3 Rentabilität der Produktionsfaktoren im Einzelnen
Wie gesagt, sind die Faktorentlohnungen im Einzelnen leicht kommunizierbar. Für die Landwirtschaft, bei der auch die Grundrente für die Bodennutzung zu errechnen ist, ergibt sich ein "Dreigespann der Rentabilität".
Ein Landwirt kann aus der Grundrente je Hektar ersehen, ob diese wenigstens über der gezahlten "Pacht je gepachtetem Hektar" liegt. Im Mittel der Jahre sollte das der Fall sein. Schließlich trägt der pachtende Landwirt auch das Bewirtschafterrisiko.
In den meisten Unternehmen ist Arbeit zu leisten, sodann interessiert das Arbeitseinkommen. Das kann errechnet werden, indem für den Kapitaleinsatz ein Zinseinsatz abgezogen wird, z.B. 2 Prozent. Die residuale Größe vermehrt um den gezahlten Lohn zeigt dann den Gesamtarbeitsertrag im Unternehmen (in der Landwirtschaft wegen des Bodens wieder etwas komplizierter). Dieser Wert kann dann je Voll-AK errechnet werden. Nach Umrechnung je Arbeitsstunde ist das Arbeitseinkommen sogar am Kaffeetisch gut kommunizierbar - auch mit Leuten, die nicht BWL gelernt haben. Der Vergleich mit dem gesetzlichen Mindestlohn ist zwar nicht direkt möglich, aber er ist auch nicht ganz falsch. Für den Kapitaleinsatz ist die Gesamtkapitalrendite oder -rentabilität (in %) entsprechend zu errechnen.
Beispiel – das „Dreigespann“ für 3 Buchführungsjahre
D 273: Betriebsanalyse- und -planung JUP PS, Blatt Kurz-A (Auszug)
Die in D 273 verwendeten Formeln sind jeweils bezogen auf den gesamten Einsatz eines Faktors:
- auf das Gesamtkapital,
- auf die gesamten Voll-Arbeitskräfte und - bei Landwirten
- auf die gesamte genutzte Fläche (in Hektar).
Besonders beim Kapital gibt es den Wunsch, auch die Eigenkapitalrendite auszuwerfen. Für Unternehmens-beurteilung ist jedoch von Vorteil, dass die Ausschläge bei der Gesamtkapitalrentabilität geringer sind als die der Eigenkapitalrentabilität. Die etwas gröbere Gesamtkapitalrentabilität reicht zur Beurteilung voll aus. Bedeutend ist, dass die Gesamtkapitalrentabilität größer ist als der (mittlere) Zinssatz des Fremdkapitals.
Bei manchem Gewerbe wird nur Kapital eingesetzt, z.B. bei einer Photovoltaik-Anlage. Die Formel wird dann ganz einfach. Ansonsten müssen immer eben zuerst Ansätze für die Entlohnung der anderen Faktoren abgezogen werden.
Die „traditionelle Jahresabschlussanalyse“ ist damit abgeschlossen. In der Praxis kommt es darauf an, möglichst bald in die „erweiterte Analyse“, d.h. in die einzelnen Betriebszweige bzw. Produktionsverfahren, einzusteigen. Das interessiert den Unternehmer vorrangig, denn da werden ggf. Stellschrauben erkennbar, um die er sich kümmern muss.
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Zitat zum Cashflow 3
"Jetzt kommen Sie endlich zum Gewinn, so wie wir ihn sehen" (Fachschüler B., 2004). Diese Bemerkung fiel, nachdem der Fachlehrer - von der Rentabilität und Stabilität kommend - schließlich beim Cashflow 3 angelangt war.
Zitate zu den Cashflows im Allgemeinen
"Ich fange meine Abschlussbesprechungen nun immer mit den Cashflow 1 bis 3 an. Denn falls ich mit dem Gewinn beginne, haben die Kunden schon abgeschaltet, wenn ich zum Cashflow 3 komme“ (Unternehmensberater T.).
"Die Cashflows 1 bis 3 verstehen unsere Kunden. Es ist aber so, dass unser internes Bilanzauswertungsprogramm nach Cashflow aus Finanzierungstätigkeit usw. aufgebaut ist. Meine Feststellung ist, dass die Unternehmer dieses System nur schwer verstehen" (Bankexperte H.).
„Die drei wichtigsten Finanzkennzahlen sind der Deckungsbeitrag (MW=1,74), der Unternehmensgewinn (MW=1,98) und der Cashflow (MW=2,04)“. (Befragung von Landwirten unter Leitung von Prof. Theuvsen, Uni Göttingen, und Prof. Sundermeier, Uni Kiel, zum Kennzahleneinsatz, 2015. MW = Mittelwert der Benotung).
"Der Cashflow ist vermutlich die betriebswirtschaftliche Kennzahl mit der größten Verbreitung" (Jörg Carstens – Camac Solutions, Softwareanbieter, 2021).
Zitate zu Liquiditätsvorsorge und Stabilität
"Man muss als Landwirt den Konsum von zwei Jahren in leicht liquidierbarer Sparreserve vorhalten, damit man auch Preistäler durchhalten kann" (Familienunternehmer W.).
"Leib zittre jetzt im Winter nicht, du hast im Sommer gut gelebt" und "Spare in der Not, da hast du Zeit dazu" (ironische Sprüche der Dienstmagd W. aus Schlesien).
Zitat zur Eigenkapitalquote
Vereinzelt gibt es Unternehmen mit 100 % Eigenkapitalquote, z.B. das familiengeführte Textilunternehmen "Trigema" mit rund 1.000 Mitarbeitern. Der 1942 geborene Chef hat 1969 von seinem Vater umgerechnet 8,7 Mio Euro Schulden übernommen, die 1975 zurückbezahlt waren (zitiert aus Wikipedia).
Mathematiker-Witz zu Standortbestimmung
Eine Gruppe von Ballonfahrern weiß nicht, wo sie sich befindet. Sie lassen den Ballon sinken und fragen einen nachdenklichen Wanderer auf der Landstraße: „Wissen Sie, wo wir sind?“. Der Angesprochene, ein Mathematiker, antwortet: „Sie sind in einer Ballon-Gondel!“
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